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Noam Chomsky über Osama Bin Laden

Veröffentlicht: 3. Dezember 2012 in Uncategorized
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Noam Chomsky über Osama Bin Laden & WTC
Noam Chomsky im Gespräch mit Svetlana Vukovic & Svetlana Lukic
B92, September 19, 2001
(Übersetzung / translation: Thorsten Ramin)

Q: Warum, glauben Sie, kam es zu diesen Angriffen?
Um die Frage zu beantworten müssen wir zuerst die Täter hinter den Angriffen identifizieren. Es wird allgemein, plausiblerweise, angenommen, dass ihr Ursprung die Region des Mittleren Ostens ist, und dass die Angriffe möglicherweise auf das Netzwerk Osama Bin Ladens zurückführen sind, eine weit verzweigte und komplexe Organisation, die zweifelsfrei von Bin Laden inspiriert, aber nicht unbedingt unter seiner Kontrolle handelt. Nehmen wir an, das ist wahr. Dann würde eine vernünftige Person versuchen Bin Ladens Ansichten zu ermitteln, und was der großen Vorrat an Sympathisanten, die er in der gesamten Region hat, denkt. Aus alldem ergibt sich für uns ein großes Pensum an Informationen.

Bin Laden wurde mit den Jahren ausführlich von sehr zuverlässigen Nahost-Experten interviewt, heraus ragt der hervorragendste Korrespondent in der Region, Robert Fisk (London Independent), der persönliche Kenntnisse der gesamten Region und unmittelbare Erfahrung über Jahrzehnte besitzt. Ein saudi-arabischer Millionär, Bin Laden, wurde zu einem militanten islamischen Führer in dem Krieg, der die Russen aus Afghanistan herausbefördern sollte. Er war einer der vielen religiösen Fundamentalisten, die von der CIA und ihren Alliierten im pakistanischen Geheimdienst rekrutiert, bewaffnet und finanziert wurden um den Russen maximalen Schaden zuzufügen. — was ihren Rückzug sehr wahrscheinlich hinauszögerte — ob er selbst dabei Kontakt zur CIA hatte ist unklar, und nicht sonderlich wichtig.

Es überrascht nicht, dass die CIA bevorzugt die fanatischsten und grausamsten Kämpfer mobilisierte. Das Endergebnis sollte so aussehen, dass ein „moderates Regime zerstört und ein fanatisches geschaffen wird, von Gruppen die bewusst von den Amerikanern finanziert wurden“ (gemäß London Times Korrespondent Simon Jenkins, ebenso ein Spezialist in der Region). Diese „Afghanen“, wie sie genannt werden (viele, wie Bin Laden, nicht aus Afghanistan) erfüllten Terroroperationen jenseits der Grenze, in Russland, aber sie beendeten diese nachdem sich Russland zurückzog. Ihr Krieg galt nicht Russland, das sie verachten, sondern der russischen Besetzung und Russlands Verbrechen an Muslimen.

Dennoch beendeten die „Afghanen“ ihre Aktivitäten nicht. Sie verbündeten sich mit den bosnisch-muslimischen Kräften in den Balkan-Kriegen; die USA erhoben keinen Einspruch, ebenso wie sie die iranische Unterstützung für sie tolerierten, aus komplizierten Gründen, die wir hier nicht verfolgen müssen, abgesehen davon zu beachten, dass Bedenken um das gräuliche Schicksal der Bosnier für sie nicht von großer Bedeutung waren.

Die „Afghanen“ bekämpfen die Russen auch in Tschetschenien und, sehr wahrscheinlich, sind sie auch involviert in die Ausführung terroristischer Attacken in Moskau und auf sonstigem russischen Boden. Bin Laden und seine „Afghanen“ wandten sich 1990 gegen die USA, als die ständige Basen in Saudi-Arabien errichteten — aus dieser Sicht einer Entsprechung der russischen Besetzung Afghanistans, aber wesentlich bedeutsamer aufgrund Saudi-Arabiens spezieller Stellung als Wächter der heiligsten Stätten.

Bin Laden ist ebenso ein erbitterter Gegner der korrupten und repressiven Regime der Region, die er als „un-islamisch“ einstuft, eingeschlossen die saudi-arabische Regierung, das extremste fundamentalistische Regime der Welt neben den Taliban, und ein enger Verbündeter der USA seit seiner Entstehung. Bin Laden verachtet die USA für ihre Unterstützung dieser Regierungen. Wie andere in der Region ist er auch empört von der langjährigen Unterstützung Israels brutaler militärischer Besetzung, die nun 35 Jahre dauert: Washingtons entschiedene diplomatische, militärische und ökonomische Intervention durch Befürwortung des Tötens, die rücksichtslose und zerstörerische Besetzung über mehrere Jahre, die tägliche Demütigung deren Ziel die Palästinenser sind, die wachsende Besiedelung, die dazu dient die besetzten Gebiete in homeland-ähnliche Kantone zu zerbrechen und die Kontrolle über die Ressourcen zu gewinnen, die grobe Verletzung der Genfer Konventionen, und andere Einsätze, die von der Mehrheit der Welt als Verbrechen anerkannt werden, außer den USA, die hauptverantwortlich für sie sind.

Wie andere misst er Washingtons treuen Beistand bei diesen Verbrechen an den jahrzehnt-langen Angriffen der Briten und Amerikaner gegen die zivile irakische Bevölkerung, die die Gesellschaft gespalten und hunderttausend von Toten verursachte, während Saddam Hussein gestärkt wurde — der ein Liebling und Verbündeter der USA und Englands war, gerade wegen seiner schlimmsten Gräueltaten, inklusive der Vergasung der Kurden, was die lokale Bevölkerung noch sehr genau weiß, auch wenn der Westen Tatsachen gern vergisst.

Dieses Gedankengut ist weit verbreitet. Das Wall Street Journal (Sept. 14) veröffentlichte eine Meinungsumfrage reicher und priveligierter Muslime der Golfregion (Banker, Berufstätige, Geschäftsleute mit engen Kontakten zu den USA). Sie vertraten sehr ähnliche Ansichten: Groll gegen die amerikanische Richtlinien Israelische Verbrechen zu unterstützen und den internationalen Konsens diplomatischer Bemühungen über Jahre zu blockieren, derweil die irakische Zivilgesellschaft zu zerstören, barbarische und repressive Regierungen in der gesamten Gegend zu unterstützen und Dämme gegen die ökonomische Entwicklung zu errichten, indem sie „diktatorische Regime stützen“. Unter der großen Mehrheit derer, die große Armut und Unterdrückung erleiden, sind ähnliche Eindrücke wesentlich schärfer, und die Quelle der Wut und Verzweiflung die zu suizidalen Bombenattentaten führte, wie es allgemein von denen verstanden wird, die sich für die Tatsachen interessieren.

Die USA und große Teile des Westens bevorzugen eine angenehmere Geschichte. Laut führender Analyse der New York Times (Sept. 16), handelten die Eindringlinge aufgrund von „Hass auf die Werte, die der Westen als Freiheit, Toleranz, Wohlstand, religiöse Vielfalt und allgemeines Wahlrecht schätzt.“ Die Handlungen der USA sind unwichtig und müssen daher nicht einmal erwähnt werden. (Serge Schmemann). Das ist ein angenehmes Bild, und die allgemeine Haltung der Geistesgeschichte nicht fremd; sie ist tatsächlich geradezu normal. Es scheint allem was wir wissen zu widersprechen und besitzt alle Vorzüge der Selbstgefälligkeit und kritiklosen Befürwortung der Macht.

Ebenso wird weithin akzeptiert das Bin Laden und andere wie er für „einen Großangriff auf muslimische Länder“ beten, um dafür zu sorgen, dass „Fanatiker der Sache in Strömen zulaufen“ (laut Jenkins und vielen anderen). Auch das ist bekannt. Die Eskalation der Gewaltspirale wird normalerweise von den rücksichtslosesten und brutalsten Elementen auf beiden Seiten Willkommen geheißen, eine Tatsache, die in der jüngsten Geschichte des Balkans offenkundig wird, um nur einen von vielen Fällen anzuführen.

Q: Welchen Einfluss haben sie auf die amerikanische Innenpolitik und auf das amerikanische Selbstverständnis?

Die Politik der USA wurde längst öffentlich bekannt gegeben. Der Welt wird eine „Entweder-Oder-Wahl“ angeboten: Sei für uns, oder „verantworte den sicheren Tod und die Vernichtung.“ Der Kongress hat die Gewaltanwendung gegen jedes Individuum oder Land, das der Präsident als an den Angriffen beteiligt, bestimmt hat, autorisiert, eine Doktrin die jeder Wähler als ultra-kriminell betrachtet. Das ist leicht aufzuzeigen. Fragen sie einfach wie die selben Leute reagiert hätten, falls Nicaragua diese Doktrin verfolgt hätte, nachdem die USA die Anweisungen des Weltgerichtshofes zurück gewiesen hatten, seine „ungesetzliche Anwendung von Gewalt“ gegen Nicaragua einzustellen und gegen eine Sicherheitsratresolution, die alle Staaten aufrief, internationales Recht zu achten, Veto eingelegt hatte. Und dieser terroristische Angriff war wesentlich ernster und zerstörerischer als die anderen Gräuel.

Doch die erfassten Dinge sind wesentlich komplexer. Man sollte nicht vergessen, dass die Medien und intellektuellen Eliten ihre eigene spezielle Agenda haben. Weiterhin ist die Antwort auf die Frage, hauptsächlich eine Angelegenheit von Entscheidungen: Wie in vielen anderen Fällen, mit ausreichender Hingabe und Kraft können Anstrengungen den Fanatismus anzukurbeln, blinder Hass und Unterwerfung vor Autoritäten, umgekehrt werden. Wir alle wissen das sehr gut.

Q: Erwarten Sie das die U.S. ihre Politik gegenüber dem Rest der Welt wesentlich verändern werden?

Die erste Antwort war, nach einer Intensivierung der Politik zu rufen, die zu der Wut und dem Groll führten, die den Hintergrund der Unterstützung der terroristischen Attacken führten und das Programm der Hardliner der Führung weiter zu verfolgen: erhöhte Militarisierung, Fremdherrschaft, Angriff auf das Sozialwesen. Das alles ist zu erwarten. Nochmal, terroristische Angriffe und die eskalierende Gewaltspirale erzeugen sich gegenseitig, neigen dazu die Autorität und das Prestige der rücksichtslosesten und repressivsten Elemente einer Gesellschaft zu verstärken. Aber die Unterwerfung unter diesen Kurs ist durchaus vermeidbar.

Q: Nach dem ersten Schock kam die Angst davor, was die Antwort der U.S. sein würde. Haben Sie auch Angst?

Jeder Gesunde Mensch sollte vor der wahrscheinlichen Reaktion Angst haben – der die bereits angekündigt wurde, und die wahrscheinlich die Antwort auf Bin Ladens Gebete ist. Sie wird die Gewaltspirale sehr wahrscheinlich weiter eskalieren, auf bekannte Art und Weise, aber in diesem Fall in einem weit höheren Grad.

Die USA haben bereits gefordert, dass Pakistan die Essensvorräte und andere Nachschübe, die die letzten paar der hungernden und leidenden Leute in Afghanistan am Leben erhalten, vernichtet. Sollte diesem Wunsch entsprochen werden, werden unschätzbar viele Leute, die nicht die entfernteste Verbindung zum Terrorismus haben, sterben, vielleicht Millionen. Lassen sie mich wiederholen: die USA haben verlangt, dass Pakistan Millionen von Leuten tötet, die selbst Opfer der Taliban sind. Das hat noch nicht mal etwas mit Rache zu tun. Es ist ein weit niedrigeres moralisches Niveau als das. Die Bedeutung wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass dies im Vorübergehen erwähnt wird, ohne einen Kommentar, und vielleicht kaum wahrgenommen wird. Wir können eine Menge über das moralische Niveau der herrschenden intellektuellen Kultur des Westens aus der Beobachtung der Reaktion auf dieses Verlangen lernen. Ich glaube wir können vernünftigerweise darauf vertrauen, dass die amerikanische Bevölkerung nicht die leiseste Ahnung davon hatte, was in ihrem Namen getan wurde, sie wäre absolut entsetzt. Es wäre lehrreich nach historischen Präzedenzfällen zu suchen.

Sollte Pakistan mit diesem und anderen amerikanischen Ersuchen nicht einverstanden sein, könnte es ebenfalls angegriffen werden – mit unbekannten Folgen. Sollte sich Pakistan Amerikas Wünschen beugen, ist es nicht unmöglich, dass die Regierung von Kräften, die den Taliban sehr ähneln, gestürzt wird – und in diesem Fall über Nuklearwaffen verfügen. Das könnte eine Wirkung auf die gesamte Region haben, einschließlich der ölproduzierenden Staaten. An diesem Punkt haben wir es mit der Möglichkeit eines Krieg zu tun, der die menschliche Gesellschaft zu großen Teilen zerstören dürfte.

Auch ohne solche Möglichkeiten zu verfolgen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Angriff auf die Afghanen eben diesen Effekt haben würde, den viele Analysten erwarten: Viele andere würden angeworben um Bin Laden zu unterstützen, wie er hofft. Auch falls er getötet wird, macht es kaum einen Unterschied. Seine Stimme wird auf Kassetten zu hören sein, die in der gesamten islamischen Welt vertrieben werden, und wahrscheinlich wird er als Märtyrer verehrt werden, der andere inspiriert. Es lohnt sich im Kopf zu behalten, dass ein Selbstmordattentat – ein Laster der in eine amerikanische Militärbasis gefahren wurde – die größte Militärmacht der Welt vor 20 Jahren aus dem Libanon beförderte. Die Möglichkeiten solcher Angriffe sind endlos. Und Selbstmordattentate sind sehr schwer zu verhindern.

Q: „Die Welt wird nicht mehr dieselbe sein nach 11/09/01“. Meinen Sie das?

Die schrecklichen terroristischen Angriffe vom Dienstag sind im Weltgeschehen etwas neues, nicht in Maß und Form, aber was das Ziel angeht. Für die USA ist es das erste mal, seit dem Krieg von 1812, dass seine Territorien angegriffen und sogar bedroht wurden Seine Kolonien wurden angegriffen, aber nicht das Nationalgebiet selbst. In diesen Jahren rotteten die USA praktisch ihre Ureinwohner aus, eroberten die Hälfte Mexikos, fielen gewaltsam in die Nachbarschaft ein, eroberten Hawaii und die Philippinen (Tausende Phillipinos tötend), und vor allem im vergangenen halben Jahrhundert haben sie ihre Militärstützpunkte auf den Großteil der Welt ausgedehnt. Die Opferzahlen sind immens.

Zum ersten Mal zeigten die Waffen in die andere Richtung. Das gleiche gilt, sogar noch dramatischer, für Europa. Europa hat mörderische Vernichtung erlitten, aber durch interne Kriege, während es den Rest der Welt mit extremer Brutalität erobert hat. Es wurde nicht von seinen äußeren Feinden angegriffen, mit seltenen Ausnahmen (die IRA in England, zum Beispiel). Es ist darum nur natürlich, dass die NATO den USA zu Hilfe eilt; Hunderte von Jahren imperialer Gewalt haben eine enorme Wirkung auf die intellektuelle und moralische Kultur.

Es ist richtig zu sagen, dass dies ein neuartiges Geschehen in der Weltgeschichte ist, nicht wegen dem Maß seiner Grausamkeit – entschuldbarerweise – sondern aufgrund seines Ziels. Welche Reaktion der Westen wählt ist eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit. Sollten die Reichen und Mächtigen ihre Traditionen von hunderten von Jahren wahren, und auf äußerste Gewalt zurückgreifen, tragen sie ihren Teil zur Eskalation der Gewalt bei, in einer bekannten Dynamik, mit Langzeit-Wirkungen die schrecklich sein könnten. Natürlich ist das in keinster Weise unvermeidbar. Eine erwachte öffentlichkeit in den freien und demokratischen Gesellschaften kann die Politik in eine humanere und ehrbarere Richtung lenken.

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